Nahaufnahmen
I
Setze mich zusammen aus Wörtern
den halbstarken Sätzen sage ich ade
Blut Salz und Spucke
lyrischer Schlamm
tut der Erde Not
Regenfrische und Tauzeit
Frost ade
ein Frühlingsspruch
innehalten
Längen von Wildpfaden
führen durch Erinnerungslücken
das war’s
wer kommt daher
geht nach Haus
II
aufgewacht und aufgeschrieben
ein ganzes Leben
so verlor die andere Zeit
ihre bedrohliche Ewigkeit
zuständig für Angst die Nächsten
das bange Schreiben
und ihrethalben Schweigen
nichts was ein einziger Atemzug
nicht sagen kann
III
keine Schwäne
Winterrotation
üblich
beim Wandern
die Finger gespreizt
ausmessen der Bergkämme
Gipfel weggetragen auf Schneebahren
keine Schwäne unter den Opfern
der Wind pfeift sich Stimmorgane zurecht
Sprache wird auferstehen
und behaupten sie sei Mensch
eine Verfolgte
die Rare
die Schützenswerte
überall reparaturbedürftig
nur ein Gerücht der Zustand
des Gefieders
im Schrank
IV
an der Zungenspitze lösen sich die Gedanken auf
babylonische Stille
wer noch einen Bruder hat im Glauben
versinkt im Lehm
lass dich kneten Bruder
es entkommen nicht mal die feinsten Dichter
Neruda sei auf der Barkasse gesessen die den Tigris hinuntertrieb
unweit von Bagdad
ein Regentag
es schüttet in die Hände der Teig knetenden Frauen
auf dem Sand füllen sich die tiefen Spuren von Panzerketten
mit dem Rosenöl aus altertümlichen Flaschen
wie sie es geschafft haben nicht zu zerbrechen
es regnet weiter
ich frage den Regendichter
dessen Namen zu verwischen droht
auf gewelltem Papier
Badr Schakir al-Sayyab
ihn frage ich nach dem Weg zu Neruda
Weggenossen auf verschiedenen Erdteilen
Neruda hat hier keine Adresse mehr
auf dem Tigris Schleppkähne
nachts mit Leichen tags mit Öl
das Wintergemüse hinter dem Haus
spricht sich für Leben aus
Neruda lebt
aber die Schleppkähne
Nacht für Nacht
ruhen nicht
wie schön wäre jetzt eine leere Barkasse
am Ufer schwankend
V
ich habe wieder Hoffnung
man bemüht sich um die Toten
friedlich zu halten
warme Decken
wenn es für immer dunkel bleibt
nichts mehr zu sagen
Verhörstille
VI
wir trugen Holz auf den Berg
Stamm für Stamm
ausgestreckte Arme nahmen uns die Last
auf dem Rückweg
fiel und fiel der Schnee
auf den weißen Strich der Ebene
woher waren wir gekommen
von wem losgeschickt
unser Los unbekannt
unsere Füße trotzen der Straße
wurzeln anstelle der gefällten Bäume
krumme Felsbrocken
VII
Halteseile bleiben von jedem Gedicht übrig
verschwommener Boden
den Augen sei Dank
ihr Blick reicht nicht tief
für den Gang brauchst du festeren Grund
bessere Augen für den Horizont
du wolltest windgerecht sein
die Flügel aufgespannt
Franziskus unter den Heiligen wollte nie fliegen
seine Schulter Landeplatz für den Müden
wir sind fluglahm und wieder nah
jedem Boden